Einmal Ostsee, immer Fischbrötchen? Du fährst an die Ostsee, ziehst die Schuhe aus, spürst den Sand unter den Füßen, die Meeresbrise um die Nase und kaufst dir als Erstes? Ein Fischbrötchen! “Das ist am Timmendorfer Strand ein Muss”, sagt Hoteldirektor Michell Meister vom SANDglow. Doch was, wenn dieses liebgewonnene Ritual künftig keine Selbstverständlichkeit mehr ist? Denn der Fischbestand in der Ostsee ist dramatisch zurückgegangen.
Und jetzt? Auf kulinarische Highlights musst du trotzdem nicht verzichten. Hier findest du Insider-Empfehlungen vom Timmendorfer Strand und entdeckst vielleicht eine neue Lieblingsspeise am Strand.
Diese Ostsee-Klassiker solltest du probieren
An der Ostsee findest du einen entspannten Lebensrhythmus vor. Hier ticken die Uhren ein bisschen langsamer. Kulinarisch zeigt sich die Region bodenständig, regional und oft überraschend. Michell verrät dir hier ein paar Klassiker, die für ihn bei einem Besuch am Timmendorfer Strand einfach dazugehören.
#1 Sanddorndessert – Vitamin Sea Sweetness

Leuchtend orange, säuerlich-frisch und reich an Nährstoffen: Sanddorn ist eine der charakteristischsten Wildfrüchte der Ostseeküste. Die dornigen Sträucher wachsen direkt in den Dünen, wo sie Wind, Salz und Wetter trotzen – besonders häufig findest du sie in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Geerntet wird Sanddorn zwischen Ende August und Oktober, wenn die Beeren prall und sonnengereift sind.
Die kleinen Früchte gelten als echtes Kraftpaket: Sie enthalten zehnmal so viel Vitamin C wie Zitronen, dazu Vitamin A, E, B12 sowie wertvolle Omega-7-Fettsäuren.
“Die orange Powerbeere ist sauer, aber gesund. Ob als Mousse, Parfait oder im Kuchen: ein Superfood mit Küstenflair und süßer Ostsee-Kick.” – Michell Meister

Als Dessert, als Saft, Fruchtaufstrich oder Likör ist Sanddorn beliebt – und eignet sich perfekt als kulinarisches Souvenir. Wichtig: Beim Pflücken solltest du auf geschützte Flächen verzichten und lieber zu regional hergestellten Produkten greifen, die nachhaltig verarbeitet wurden.
Tipp: Den Sanddorn-Fruchtraufstich von der Bio Frucht Manufaktur „Ostseelibe“ kannst du in vielen Supermärkten kaufen.
#2 Holsteiner Sauerfleisch – Coastal Meat Classic

“Ein Schweinefleischgericht in Gelee, gewürzt mit Essig, Lorbeer und Zwiebeln – serviert mit Bratkartoffeln und Remoulade. Deftig, rustikal, typisch für Schleswig-Holstein”, berichtet der Hoteldirektor. “Warum man’s isst? Weil auch Fleischfans an der Küste was Herzhaftes brauchen – und Sauerfleisch einfach vintage vibes hat.”
#3 Rote Grütze – Sweet North Love

Dieses Dessert wird sowohl an der Nordsee als auch an der Ostsee sehr gern gegessen. Michell erinnert sich “Früher sammelte man einfach, was da war: Johannisbeeren, Himbeeren, Kirschen. Das wird mit Zucker eingekocht und mit Milch oder Vanillesoße serviert. Es war die Belohnung nach harter Arbeit – heute ist es das Soulfood für Schleckermäuler.”
#4 Tüften und Rüben

Zuletzt noch ein Statement für das Ostsee-Gemüse: Kartoffeln (Zu Salzkartoffeln gekocht werden sie hier “Tüften” genannt), Steckrüben, Möhren, Pastinaken, Meerrettich und verschiedene Kohlsorten wachsen in der Ostseeregion – oft in Bio-Qualität! Waren sie früher lediglich als Beilage degradiert, rücken sie für “Plant Based”-orientierte Genießer*innen heute in den Mittelpunkt.
Fisch essen an der Ostsee
Ein Ostseeurlaub ohne Fischbrötchen oder ein Besuch im Fischrestaurant ist für viele undenkbar. Doch bei der Auswahl solltest du vorsichtig sein und ein Thema nicht vergessen: Überfischung.
Überfischung der Meere und an der Ostsee

Die OECE (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) stellte in ihrem Bericht zur weltweiten Fischerei fest, dass 41 Prozent der weltweiten Fischpopulationen unter einem “gesunden” Niveau bleiben.
“Die Fischerei und Aquakultur bieten Millionen Menschen Arbeit und versorgen Milliarden mit Nahrungsmitteln. Aber illegale Fischerei, Überfischung und Umweltverschmutzung gefährden die Fischbestände und Ökosysteme.” – OECE
Auch die Ostsee leidet an Überfischung – ebenso wie die Nordsee, über deren Kulinarik wir in diesem Blogbeitrag berichtet haben. Laut dem WWF Fischratgeber sind die aktuellen Fanggesetze nicht ausreichend, um die Bestände nachhaltig zu schützen. Das heißt im Umkehrschluss: Wir als Verbraucher müssen selbst darauf achten, welche Fische wir kaufen.
„Es ist tragisch, dass Heringe und Makrelen im Nordostatlantik weiterhin stark überfischt werden. Die Länder, die dort fischen, wissen, welchen Schaden sie anrichten und nehmen den Zusammenbruch der Bestände für kurzfristigen Profit in Kauf. (…) Solange sie (…) auf dem Zerstörungskurs bleiben, rät der WWF vom Kauf dieser Fische ab.“ – Mark Heuer, Fischereiexperte beim WWF Deutschland
Welche Fische sollte man aus der Ostsee nicht essen? (laut WWF)
- Hering (aus der Nordsee sei er noch vertretbar, aber aus der Ostsee auf keinen Fall)
- Matjes (junge, noch nicht geschlechtsreife Heringe)
- Makrele
- Aal (Der europäische Aal ist stark bedroht.)
- Dorsch/ Kabeljau (in Ordnung sei Dorsch lediglich aus Island)
Welchen Fisch darf ich an der Ostsee denn dann überhaupt noch essen?

Neben dem Ostseelachs sind auch Sprotten noch in Ordnung. Sprotten sind kleine heringsartige Fische, die in Schwärmen leben. “Die Sprottenbestände im Nordostatlantik sind in gutem Zustand und die Fischerei ist auf einem nachhaltigen Niveau“, sagt der WWF. „In der Ostsee ist der Fischereidruck jedoch nach wie vor zu hoch. Das zeigen die ständigen Fangquoten-Überschreitungen in den letzten Jahren.”
Welches Fischbrötchen an der Ostsee ist das nachhaltigste?
Laut Michell würden Fischbrötchen an der Ostsee mit Bismarckhering, Brathering, Matjes oder Lachs angeboten. Die ökologisch beste Wahl ist Ostseelachs, welcher vor Rügen geangelt wird. Die Nachhaltigkeit ist jedoch auch hier umstritten, aber es wird nicht so strikt davon abgeraten wie bei Hering und Matjes. Im WWF-Fischratgeber wird Ostseelachs im Ampelsystem mit gelb bewertet. Generell rät der WWF bei Lachs zu Alaska-Wildlachs (grün).
Vorsicht bei Räucherfischplatten
Das Räuchern von Fisch hat an der Ostsee eine lange Tradition. “Die urigen Fischbuden direkt am Hafen oder Strand machen’s authentisch”, erzählt uns Michell. Angeboten würden geräucherter Aal, Makrele, Lachs und Sprotte und man esse diese meist mit Schwarzbrot, Meerrettich und Zwiebeln. Doch von diesen vier Fischarten sind zwei nicht vertretbar. Insbesondere beim Aal solltest du daran denken, dass dies eine stark bedrohte Tierart ist, dessen Bestände in Europa um 95 % zurückgegangen sind! Aale sind ebenso bedroht wie Eisbären, Gorillas oder Elche. Sie paaren sich nicht in Gefangenschaft oder Aquakulturen. Alle Aale, die du auf den Teller bekommst, sind Wildfänge, die in der Natur fehlen. Darum ist die einzige nachhaltige Möglichkeit der Verzicht.
Recherche in Timmendorfer Strand

Yvonne Bork, Direktorin vom Lifestylehotel SAND hat für uns in Timmendorfer Strand eine Vor-Ort-Recherche vorgenommen. “Derzeit ist Aal kaum noch zu bekommen”, berichtet sie. Und wenn, dann sei er beinah unbezahlbar. “Der Preis pro Kilo liegt zwischen 15 und 23 Euro.” Matjes seien im Angebot “noch erschwinglich” und besonders auf Fischbrötchen beliebt.
Falafel und Sushi als nachhaltige Alternative?

Das Adults-Only Lifestylehotel SAND liegt in der zweiten Reihe zum Strand des beliebten Ostsee-Ferienortes und ist ein reines Frühstückshotel. Hier wird auf nachhaltige Bio-Zutaten geachtet. Du wirst auch gern beraten, wo du nachhaltig essen gehen kannst. Das fußläufige Restaurant Bartmans Kitchen bietet z. B. neben Fisch und Fleisch täglich vegane Alternativen an. Der Hafeneck-Kiosk hat neben Fischbrötchen auch Pommes mit veganer Mayonnaise und Falafel im Angebot. Gastgeberin Marion Muller resümiert: “Knappheit ändert das Konsumverhalten. Der allgemeine Trend zu Sushi & Co. spiegelt sich derzeit auch in der Gastronomie an der Ostseeküste wider.”
“Sind wir einem Generations- und Kulturwechsel auf der Spur?” – Marion Muller
Aber ist importierter Sushi-Fisch nachhaltiger als lokaler Ostseefisch?
Es ist nachhaltiger, einen importierten Fisch zu essen, der MSC-zertifiziert ist und zu einem gesunden Fischbestand gehört, als einen lokalen Fisch, der auf der Roten Liste bedrohter Arten steht. So, damit ist es raus. Und ja, im ersten Moment wirkt es falsch, weil wir gerade als nachhaltig Reisende so sehr auf Regionalität gepolt sind. Und doch ist im Fall der Ostseefischerei die nachhaltigere Option, ihn nicht uneingeschränkt zu unterstützen.
2025 hat der WWF einen Sushi-Ratgeber veröffentlicht, indem die beliebtesten Sushi-Fische bewertet werden. Bei vielen Fischen wie z. B. Thunfisch und Lachs spielt vor allem die Fangmethode eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund ist es das einfachste, nicht allein auf die Sorte, sondern auch das MSC-Siegel zu achten.
Noch einfacher und nachhaltiger: Du wählst gleich vegetarisches Sushi mit Gurke, Kürbis oder Rote Beete. Genauso lecker und es schadet weder den Fischbeständen in der Ostsee noch irgendwo anders auf der Welt.

Ob mit oder ohne Fisch …
… die Ostsee bleibt ein Genussort – nicht trotz, sondern gerade wegen des wachsenden Bewusstseins für nachhaltigen Fischkonsum. Wer beim Fischbrötchen zweimal hinschaut, entdeckt neue Alternativen, wieder entdeckte regionale Klassiker und spannende Geschmackserlebnisse abseits des Mainstreams. Also probiere es doch mal aus! Und vielleicht muss es beim nächsten Ostseebesuch eben nicht das tägliche Matjesbrötchen am Strand sein.
Tipp: In diesem Blogartikel über ein Wochenende an der Ostsee findest du noch weitere, schöne Ausflugstipps für die Küste!
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